Wir überqueren die Grenze zu Peru. Die Einfuhr ist an sich kein Problem, aber da es im Moment kein Internet hat, müssen wir einfach mal eine Stunde darauf warten. Wir sind unterwegs in die nächste Stadt, um uns mit dem Wichtigsten einzudecken. Im Moment sind wir uns nicht sicher, ob wir Peru eventuell auslassen und einfach durchfahren sollen. Seit November 2022 sind Aufstände im ganzen Land gegen die Interimsregierung. Touristen sind zwar nicht Ziel der Aufstände, aber wir haben bereits von Übergriffen auf Ausländer gehört. Kurz vor Jaen werden wir von der Polizei angehalten und nach den Papieren gefragt. Alles in Ordnung soweit, aber die Autoversicherung fehlt. Wir versuchen der Polizei zu erklären, dass wir mit unseren europäischen Kennzeichen keine Online-Versicherung abschliessen können, nur direkt in Jaen. Sie erklären uns 1000mal, dass es nicht erlaubt sei ohne zu fahren. Wahrscheinlich erwarten sie ein Bestechungsgeld, wir aber beharren auf unsere Story und sagen, wir können sie nur in der Stadt abschliessen. Nach 15 Minuten lassen sie uns schliesslich gehen. Als wir in der Stadt ankommen sind wir erstmal geschockt. Kein einziges Gebäude scheint fertig gebaut zu sein, während viele von ihnen bereits am zerfallen sind. Rote Ziegelsteine, Betonpfeiler und herausragende Armierungseisen prägen das Stadtbild. Nicht so schön anzusehen. Wir decken uns in einer Mall mit SIM-Karten, Bargeld, Essen und natürlich unserer Versicherung ein und suchen uns einen Platz für die Nacht
Nach einer langen Fahrt am nächsten Tag erreichen wir den Gocta Wasserfall in der Amazonasregion. Mit einer Höhe von über 700 Metern ist es einer der höchsten der Welt. Wir machten uns auf den Weg durch den Dschungel. Der Wanderweg ist zwar gut ausgebaut, aber dennoch sind die 7km (ein Weg) hoch und runter doch sehr anstrengend. Aber als wir endlich näher zum Wasserfall kommen werden wir reich belohnt. Die Wassermassen stürzen mit einer Wucht in die Tiefe, erzeugen eine unglaubliche Gischt, die die Luft füllt. Zum Glück haben wir unsere Regenjacken dabei. Wir ziehen sie an und laufen in die Wolke hinein. Die Wassermassen erzeugen einen unglaublichen Wind, wie in einem Taifun werden wir innerhalb weniger Sekunden komplett nass. Selbst die Regenjacke hält da nicht mehr viel ab. Schnell ein zwei Fotos machen und wieder raus. Wir fühlen uns wie Kinder, die im Sommerregen spielen. Auf den Rückweg freuen wir uns nicht.
Etwas tiefer im Amazonasregion finden wir uns in Tarapoto wieder. Hier wollen wir eigentlich auf eine Wanderung durch den Dschungel gehen, um jegliche Pfeilgiftfrösche in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Als wir am Wanderweg ankommen, sind wir überrascht. Bis auf zwei sind alle anderen Wanderwege geschlossen. Der längere von beiden kostet dann auch noch 20 Franken pro Nase. Wir nehmen den kleinen für 5 Franken und sehen dabei kein einziges Tier. Das haben wir uns anders vorgestellt und verlassen etwas frustriert den Ort.
Unser nächstes Ziel ist Machu Picchu, aber bis dahin ist es noch ein sehr weiter weg. Die meisten Reisenden nehmen die Strasse am Pazifik entlang, die ist etwas schneller. Dafür sieht man eigentlich nur Sand – gefährlich ist sie auch noch, da von dort häufig Raubüberfalle gemeldet werden. Wir entscheiden uns für die andere Seite, durch die Amazonasregion und über eine Hochebene. Etwa fünf Tage haben wir vor uns. Wir sind etwas überrascht, dass wir links und rechts hauptsächlich Coca sehen. Kein Wunder ist Peru der Haupterzeuger von Kokain mittlerweile. Jeder hier hat den Mund voll mit Coca. Auch wir kaufen uns am Strassenrand die kleinste Tüte davon. Etwa 200 Gramm für gerade mal 50 Rappen. Wer weiss, vielleicht wirkt es tatsächlich gegen die Höhenkrankheit, die Lilya schon seit einigen Tagen quält. Nachdem wir mit einer kleinen Fähre, bestehend aus drei aneinandergebundenen Booten, einen Fluss überquert haben, haben wir plötzlich Stau vor uns. Die LKW-Fahrer winken uns durch. Am Ende sehen wir einen massiven Erdrutsch. Die Einheimischen bereits bewaffnet mit Schaufeln, graben eine kleine Schneise durch den Schutt. Haben wir ein Glück einen geländetauglichen Camper zu fahren. Wir fahren einfach drüber, während LKWs, Busse und normale PKW noch Stunden warten müssen. In den kommenden Stunden sehen wir noch etliche Spuren weiterer Erdrutsche. Irgendwann erreichen wir eine Hochebene auf etwa 4000m. Endlose Weiten, Steppenlandschaft und sehr sehr viel Wind. Wir fühlen uns wie in einem anderen Land. Was die Peruaner aber leider nicht können, ist die Entsorgung von Müll. Auch wenn in jedem Ort Möglichkeiten zum Entsorgen und sogar zum Recyclen gegeben sind, schaffen es die Einheimischen nicht, die leeren Plastikflaschen und Chips Verpackungen entsprechend zu entsorgen. Die Strassengäben sind voll von Müll. Sehr schade, ist doch gar nicht so schwierig im nächsten Ort kurz Halt zu machen am Abfalleimer. Wir haben oft miterlebt wie einige einfach ihren Müll aus dem fahrenden Auto werfen. So wurden wir sogar mal von der leeren trink Kokosnuss des Vordermanns getroffen. Am dritten Tag unserer Fahrt leitet uns Google Maps auf eine etwas alternative Route. Zunächst etwas Schotterstrasse, entwickelt sich der Weg zu einer einspurigen Todesstrasse entlang Klippen, zudem auch noch Gegenverkehr entgegenkommt. Wir finden gegen Abend keinen Platz für die Nacht, obendrauf fängt es an zu regnen und zu donnern. Keine gute Idee bei starken Regen diese Piste zu fahren, besteht doch eine hohe Gefahr eines Erdrutsches. Die ganze Strasse ist von Kreuzen am Strassenrand gesäumt, was unsere schlechten Gefühle noch verstärkt. Als es dann komplett dunkel wird, finden wir zum Glück eine geschützte Stelle, wo wir eine ruhige und sichere Nacht abseits der Strasse verbringen.
Nach einigen harten Tagen reiner Fahrt erreichen wir endlich unseren Ausgangspunkt für Machu Picchu: Santa Teresa! Die meisten Touristen nehmen den Zug von Ollantaytambo oder Cusco, der mindestens 60 Franken pro Person pro Weg kostet. Angekommen merken wir aber, dass wir genau am Osterwochenende hier sind und alle Tickets schon ausverkauft. Die nächsten freien Tickets gibt es erst am Oster Montag wieder. Deshalb beschliessen wir eine Tour in die Anden zu machen und den Massen zu entfliehen. Die Strecke ist wunderschön und wir geniessen das Wochenende ohne Menschenseele auf 3000 bis 4000m.
An Ostermontag parken wir unseren Camper bei Hidroelectrica und laufen 11km den Gleisen entlang und geniessen die Natur neben dem Fluss, währenddessen jagen wir wunderschönen Schmetterlingen nach. In Aguas Calientes gönnen wir uns ein Hotel. Aufgrund der neulichen Auseinandersetzungen ist der Ort sehr ruhig und nicht stark besucht. Die Restaurants kämpfen um jeden einzelnen Kunden. Günstig ist der Ort für peruanische Verhältnisse nicht, bekommt man hier aber endlich mal sehr gutes Essen, wie Alpakasteak für unter 20 Franken. Am nächsten Tag fahren wir nachmittags zum Machu Picchu hoch. Zu dieser Zeit sollten die meisten Touristen die Stätte bereits verlassen haben. Tatsächlich sehen wir keine Schlange vor dem Eingang. Wir wollen um 12.59 Uhr rein, dürfen wir aber nicht. Wir seien eine Minute zu früh dran. Sehr pingelig. Um Punkt 13:00 Uhr betreten wir die Inka-Anlage. Sie wurde im 15. Jahrhundert erbaut und kurze Zeit später wieder verlassen. Viel bekannt über die damalige Kultur ist nicht. Vieles wird nur angenommen. Aber als wir oben auf dem weltbekannten Aussichtspunkt stehen und auf die Siedlung herabschauen sind wir von der Magie dieses Ortes begeistert. Nur wenige Touristen neben uns. Wir haben wieder mal den perfekten Zeitpunkt erwischt! Unvorstellbar wie ein Volk vor 600 Jahren die riesigen Steine so akkurat aufeinander stapeln konnte, während es links und rechts davon quasi senkrecht den Hang herabgeht. Wir haben es uns nicht vorstellen können, aber Machu Picchu ist eines der Highlights unserer Reise!
Wir reisen weiter nach Ollantaytambo. Eigentlich sind wir nur hergekommen, um unsere Wäsche waschen zu lassen. Wenn wir schon hier sind, gönnen wir uns auch ein ganz besonderes Mittagessen: Meerschweinchen. Bei uns halten wir sie als Haustiere, hier werden sie verspeist. Ist sogar billiger als Rindfleisch. Wir erhalten jeweils in der Mitte geteiltes Meerschweinchen. Bei Lilya ist der Kopf mit den kleinen Nagezähnchen noch dran, bei Anton ragen die kleinen Füsschen raus. Appetitlich sieht das Ganze im ersten Moment nicht aus, aber wir als Mitteleuropäer kennen hauptsächlich nur die bereits zerlegten Stücke, das ganze Tier auf einem Teller sehen wir eigentlich nie. Vom Geschmack sind wir positiv überrascht, es geht Richtung Ente und Schwein, sehr lecker. Man muss aber auch gestehen, dass das Meerschweinchen teilweise sehr fettig ist und man nach einer Hälfte auf jeden Fall genug hat. Wer davon nicht allzu angeekelt ist, würden wir es auf jeden Fall empfehlen! Am besten mit Quinoa.
Auf dem Weg nach Cusco machen wir noch einen kurzen Stopp bei den Salineras de Maras. Diese Saline hat eine Salzwasserquelle auf fast 3400m, die tausende kleine Becken terrassenartig speist. Beeindruckender Ort um von oben Fotos zu machen.
Wir erreichen die weltbekannte Stadt Cusco, halten uns dort aber nur einen Tag auf. Die Stadt ist schön, für uns aber nichts Spezielles. Das Zentrum ist schön hergerichtet, in manchen Boutiquen kann man Alpaka-Kleidung kaufen. Ein richtiges Schnäppchen findet man hier aber nicht, zu sehr auf Touristen ausgerichtet.
Es geht weiter zu den Rainbow Mountains. Wir entscheiden uns aber nicht für die bunten Berge, die man sonst auf den Fotos sieht, sondern für welche die eher unbekannt sind. Es soll dort weniger Touristen haben. Allein die Fahrt dahin ist beeindruckend. Wir kommen auf ein Hochplateau, wo Lamas, Alpakas und Schafe unseren Weg kreuzen. Den Parkplatz bei den Rainbow Mountains müssen wir uns nur mit einem anderen Auto teilen. Es ist kalt und windig, die Luft wieder extrem dünn auf 4800 Höhenmetern. Uns kommt eine nette Dame mit ihrem Lama entgegen, das sie schön geschmückt hat. Sie fragt uns, ob wir ein Foto machen wollen. Da können wir nicht nein sagen. Sie freut sich extrem, es kommen ja nicht so viele Touristen hier vorbei. Lachen kann sie aber nicht, denn ihre Backen sind gestopft mit Coca. Wir machen die tollsten Fotos mit dem Lama – sie bedankt sich tausendmal für unser kleines Trinkgeld. Die Berge selbst sind tatsächlich sehr bunt, bunter als wir es uns vorgestellt hatten. Das Naturwunder kann man aber erst seit 2013 bewundern, davor waren die Gipfel mit Schnee bedeckt. Die globale Klimaerwärmung machts möglich. Diese Tatsache macht einen sehr nachdenklich beim Betrachten des Spektakels.
Wir fahren zurück ins Tal und machen uns auf den Weg nach Puno. Unterwegs sehen wir die Spure der jüngsten Ausschreitungen. Die Mautstellen wurden demoliert und auch noch angezündet. Am Strassenrand finden wir überall noch grosse Felsbrocken, womit sie die Strassen blockiert hatten – teilweise noch die Strassen blockieren. Schwarze Flecken auf dem Asphalt zeugen von verbrannten Autoreifen. Hier war etwas los! Puno selbst ist eine sehr hässliche Stadt, anders kann man das nicht sagen. Wir sind aber wegen den Schwimmenden Inseln auf dem Titicacasee hier, den sogenannten Uros. Kaum haben wir einen überwachten Parkplatz gefunden, klopft es schon am Fenster. Jemand will uns eine Tour verkaufen. Eigentlich sind wir von solchen Aktionen genervt und blocken sporadisch ab. Dieses mal haben wir aber mit dem jungen Kerl Geduld, der aber leider kein Englisch spricht. Unser Spanisch reicht um zu verstehen, was er uns erklärt. Tour für 25 Franken gebucht, es geht sofort los! Wir fahren zu einem kleinen Hafen, nicht zum touristischen, sondern wo die Einheimischen ihre Lancha Boote zu den Inseln nehmen. Mit einem Boot fahren wir zunächst 15 Minuten entlang Kanäle, die die Einheimischen durch das dichte Schilf geschlagen haben. Wir erreichen eine grosse schilffreie Fläche, wo die Uros ihre schwimmenden Inseln erbaut haben. An uns fahren die grossen Touristenboote vorbei, proppenvoll bis an die Decke. Wir besuchen zum Glück die Insel von unserem Bootskapitän, der junge Präsident der kleinen Insel spricht sogar Englisch, der uns alles über sein Volk erzählt. Seit Jahrhunderten lebt sein Volk auf den Schilfinseln, um so mehr Sicherheit vor Feinden zu haben. Bahnt sich Gefahr an, verlegt man seine Insel in einen anderen Teil des riesigen Sees. 120 Inseln gibt es verteilt auf dem ganzen See. Sie haben eine eigene Sprache. Das Fundament der Inseln besteht aus einer 2-3 Meter dicken Schicht der Schilfwurzeln, darüber werden 1-2 Meter Halme verlegt. Der obere Belag muss alle 15 – 30 Tage erneuert werden. Alle paar Meter findet man Pfähle, die mehrere Meter ins Wasser ragen. Dort sind Seile befestigt, die bis ans seichte Ufer führen und dort dann verankert werden. Fährt ein Boot vorbei, wellt sich die Insel fast wie das Wasser selbst. Hat man ein ernsthaftes Problem mit seinem Inselbewohner, wird die Insel einfach mit einer Säge zerteilt. Heutzutage leben die meisten Einwohner vom Tourismus, haben Solarzellen und alles Notwendige auf ihrer Insel. Hier lebt es sich besser als in der Stadt unserer Meinung nach. Am Ende steigen wir auf ein traditionelles Boot und Anton übernimmt das Rudern. Währenddessen erzählt uns der Präsident, wie schwierig ihre Lage in den letzten 3 Jahren gewesen ist. Zuerst Covid, dann die landesweiten Ausschreitungen. Es fehlt ihnen an Touristen. Wir kaufen einige Souvenirs, schliesslich wollen wir den Erhalt von Traditionen fördern.
Wir entscheiden uns den über den nördlichen Teil des Titicacasees die Grenze zu Bolivien zu passieren. Vor der Grenze finden wir ein Plätzchen am See für die Nacht, als ein älterer Herr vorbeikommt. Er fragt aber nur, wie es uns geht und ob alles in Ordnung sei. Er passe hier auf, dass keiner illegal Müll entsorgt, wir als Camper seien aber herzlichst willkommen.
Wir sind froh, haben wir Peru nicht ausgelassen. Wurden wir doch überall herzlichst empfangen und sehr nett aufgenommen. In Peru haben wir so viel gesehen und erlebt, das hätten wir nicht erwartet. Dafür hoffen wir, dass sich die Unruhen langsam legen und erneut Touristen dieses wunderbare Land entdecken können.