Die Einreise nach Ecuador erfolgt sehr einfach und dauert keine Stunde. Keine lästigen Kopien von Stempeln oder sonstigen Dokumenten, wie wir es sonst von Zentralamerika kennen. In Ecuador staunen wir nicht schlecht, denn vor uns erstreckt sich sowas wie eine Autobahn, nagelneu und ohne Schlaglöcher. Wir kommen gut voran, kaufen SIM-Karten und versuchen uns mit US Dollar einzudecken. Die landeseigene Währung wurde vom Staat aufgegeben – zu instabil. Nichts Neues in Lateinamerika. Wir müssen aber etwa zehn Geld-Automaten anfahren, denn die meisten akzeptieren keinen 6-stelligen PIN. Die erste Nacht verbringen wir auf dem Camping «Sommerwind», welches von einem deutschen Auswanderer und seinen ecuadorianischen Freunden betrieben wird. Hier treffen wir auch auf ein junges Pärchen aus der Schweiz, welches ähnlich ambitionierte Pläne hat wie wir. Sie sind mit einem VW T2 Bulli unterwegs. Sie hatten Pech, dass sie zur Zeit mehr in der Werkstatt, als auf der Strasse sind. Bei Wein und Bier erzählen wir uns von unseren Erlebnissen und lassen den Abend ausklingen.
Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Otavalo, wo der grösste indigenen Markt der Welt zu finden sei. Interessant ist, dass die Idee und der Marktplatz selbst von einem holländischen Architekten stammen. Wir verlieren schnell die Orientierung zwischen den bunten Tüchern und den wild gestikulierenden Händlern. Alpaka-Schale hier, Panamahüte dort – und alles zu einem Schnäppchenpreis. Dass es sich hierbei tatsächlich um die versprochenen Materialien handelt, zweifeln wir. Aber für einen schönen Strick-Pulli zahlen wir gerne 10 Franken, auch wenn es kein Alpaka ist. Beim Schlendern fällt Anton ein grosses handgemaltes Gemälde auf, das eine Frau mit einem Strauss Blumen von hinten zeigt. Er will es unbedingt haben und fragt nach dem Preis: 150 USD. Da ist sicher noch etwas Spielraum für Verhandlung denken wir uns und gehen erstmal weiter. Später kehren wir mit einer Taktik und einem maximal gesetzten Preis zurück und beginnen mit der Dame zu verhandeln. Es dauert lange, sie ist sehr hartnäckig und hat gute Argumente. Doch irgendwann sind wir bei unserem Wunschpreis von 60 USD angekommen und wir schlagen ein. Juppie! Sie wirkt nicht sehr glücklich, aber das gehört alles zur Taktik, bestimmt.
Um ein weiteres Gemälde reicher geht es für uns nun in die Hauptstadt Ecuadors, nach Quito! Einige km nördlich davon verläuft die Äquator-Linie. So lange sind wir bereits unterwegs und sind jetzt erst am Äquator? Zum Glück ist die Strecke nach Ushuaia nicht mehr ganz so weit wie nach Alaska, denn die Zeit rennt uns langsam davon. Von aussen wirkt Quito nicht sehr einladend. Die weissen Fassaden der Häuser haben bereits bessere Tage gesehen. Aber ist man erstmal im historischen Zentrum der Stadt angekommen, bekommt man einen ganz anderen Blick. Gepflegte Plazas, umgeben von Kirchen, Basiliken und Museen. Sogar ein Polizist fragt uns auf Englisch, ob wir Hilfe bei der Tourenplanung bräuchten. Das uns jemand etwas auf Englisch fragt hatten wir schon lange nicht mehr. Da wir aber schon so viele Kolonial-Städte auf unserer Reise gesehen haben, beeindruckt uns Quito wenig – auch wenn wir positiv überrascht sind.
Wir düsen Richtung Süden, vorbei an Banos und dann gen Osten. Wir verbringen die Nacht auf einem Camping-Platz, welcher von einem Schweizer mit seiner britischen Frau betrieben wird. Ursprünglich haben sie Touren durch Patagonien und Afrika geführt, mussten jedoch aufgrund von COVID eine andere Einnahmequelle finden und blieben dann in Ecuador hängen. Ein schönes Plätzchen haben sie jedenfalls aufbauen können. Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um die Cascada El Pailon zu besuchen. Leider spielt das Wetter im Regenwald nicht mit und es schüttet wie aus Eimern. Das hält uns jedoch nicht davon ab auf eine Wanderung zu gehen. Auch ohne Regen wären wir spätesten am Wasserfall nass geworden. Wir sind die einzigen auf dem Wanderweg und haben das Spektakel ganz für uns allein. Das Wasser kommt mit einer unglaublichen Wucht rausgeschossen, fällt ins Tal – und wir stehen einige Zentimeter daneben. Wie unglaublich ist das denn? Komplett nass bis auf die Knochen fliehen wir in ein Cafe und wärmen uns bei einer Tasse heissen Schoki auf. Auch unsere Handys haben den nassen Ausflug zum Glück unbeschadet überstanden.
Vom Regenwald in die Höhe – wir fahren auf den Vulkan «Chimborazo». Ab einer gewissen Höhe fehlt es an Sauerstoff und der Motor unseres Campers fehlt es an Leistung. Lächerlich kleine Steigungen schafft der Wagen nicht mehr im normalen Betrieb, wir müssen ins Untersetzungsgetriebe wechseln. Wir sind zwar langsam, wie ein Traktor, schaffen es jedoch zum Parkplatz auf 4867 Höhenmetern. Wir steigen aus dem Auto. Nach nicht einmal zwei Metern fühlen wir uns wie die unsportlichsten Menschen der Welt, wir müssen eine Pause machen. Der Sauerstoffgehalt ist fast 50% geringer als es unser Körper gewohnt ist. Jede kleinste Muskelzuckung verursacht eine Schnappatmung, unglaublich. Lilya erträgt die Höhe nicht und geht zurück ins Auto. Anton jedoch ist hochmotiviert und begibt sich auf eine Wanderung weiter hoch, ausgestattet mit einem GPS-SOS Gerät – für alle Fälle. Schritt für Schritt erkämpft sich der Gipfelstürmer jeden Höhenmeter, im Kampf zwischen Ehrgeiz und körperlich Machbaren. Es beginnt zu schneien als er oben ankommt. 5200 Meter ünN, höher als man in Europa überhaupt sein kann. Ein Meilenstein für ihn! Bei der Fahrt zurück ins Tal belohnt uns der Berg mit schönstem Licht und mit Guanakos, die für uns förmlich posieren.
Als wir weiterfahren merken wir plötzlich, dass unsere Lenkung Luft saugt. Wir verlieren Öl für die Servopumpe, und das nicht wenig. Wir kaufen schnell eine Flasche Öl und kippen alle paar Stunden nach. Wir müssen nämlich nach Guayaquil, wir haben einen Flug zu erwischen. Mit dem letzten Tropfen Öl kommen wir in Guayaquil an, sodass zumindest die Servopumpe nicht trockenläuft und beschädigt wird. Weil wir eher schlechte Erfahrungen mit den Mechanikern in Lateinamerika hatten finden wir in Guayaquil einen Deutschen, der hier eine Werkstatt für europäische Fahrzeuge betreibt. Endlich einer, der Hebebühnen und professionelles Werkzeug hat und den Ölwechsel nicht am Strassenrand durchführt. Er verspricht uns eine Generealüberholung des Lenkgetriebes für einen guten Preis, dafür dürfen wir unseren Camper zwei Wochen bei ihm stehen lassen. Win – Win!
Für uns geht es nämlich für ganze zwei Wochen auf die Galapagos-Inseln! Um das noch zu toppen treffen wir uns dort mit Lilyas Eltern, die wir seit einem knappen Jahr nicht mehr gesehen haben. Schon bei der Ankunft am Flughafen in Baltras werden wir von einer riesigen gelben Echse begrüsst. Für die nächsten sechs Tage bleiben wir in Puerto Ayora, besuchen die Highlands mit den Riesenschildkröten, machen Tagestouren zu den benachbarten Inseln und hören Geschichten über die deutsche Familie Wittmer, die vor dem Nazi-Regime auf die Insel Floriana geflohen ist. Sie haben übrigens auch um das Überleben der dortig endemischen Schildkrötenart eingesetzt und so den Bestand gesichert (Hybrid?). Im Hafen von Ayora treffen wir auf die deutsche Tauchlehrerin Karolin, die dort seit einem Jahr arbeitet. Sie erzählt uns, dass auf den Galapagos zwar viel Geld eingenommen wird durch den Tourismus, aber davon würde nichts in die Bildung der Einheimischen investiert werden. So wundert es Einen nicht, dass in diesem Naturparadies erstaunlich viel Müll am Strassenrand zu finden ist. Es geht ihnen ums Business, nicht um den Naturschutz. Nichtsdestotrotz sind die Galapagos-Inseln ein El Dorado, vor allem für diejenigen, die sich für das Unterwasserleben interessieren. Zum Glück hat Anton wenige Wochen zuvor seinen PADI-Kurs gemacht und darf hier Tauchen! Tour gebucht und alle vier ab ins Wasser. Was wir hier erleben ist atemberaubend. Schildkröten, Rochen und Riesen-Mantas, dazu Weissspitzenhaie und Muränen. Beim zweiten Tauchgang am Kicker-Rock erwartet uns dann das Highlight. Unsere Tauchgruppe sitzt unten an einer Kante, wir halten uns an einem Felsen fest, als plötzlich über uns eine Schule Hammerhaie auftaucht. Zurückhaltend und total ungefährlich wirken diese Jäger, auch wenn sie eher zu den aggressiven Haiarten gehören. Auf den Galapagos seien sie ungefährlich versichert man uns. Das trifft auf wohl alle Lebewesen hier zu. So können wir auch vom Ufer aus in einer Bucht Schnorcheln gehen und werden dann von neugierigen Seelöwen begrüsst. Auch wenn es preislich nicht günstig ist, begeistern uns die Galapagos dennoch!
Zurück in Guayaquil verabschieden wir uns von Lilyas Eltern, die noch einen 12-stündigen Flug antreten müssen. Wir hingegen holen unseren Camper aus der Werkstatt. Lenkgetriebe wurde wie versprochen generalüberholt und wieder eingebaut – zum abgemachten Preis von 400 USD. Und dann haben wir uns noch 100 USD für einen Parkplatz gespart. Perfekt! Leider merken wir später, dass eine der beiden Gasdruckfedern für das Hubdach defekt ist. Hat nichts mit der Werkstatt zu tun, ist jedoch sehr ärgerlich, da wir das Dach nicht mehr oben behalten können. Eine Feder bringt stolze 600N (=60kg) Schubkraft.
Da die Galapagos-Inseln doch eher touristisch waren wollen wir uns ein paar Tage einsame Natur gönnen und fahren zum Cajas Nationalpark. Ganz menschenleer ist der Ort bei unserer Ankunft nicht, jedoch machen die meisten nur kurz ein Selfie am Eingang und verschwinden wieder. Wir hingegen haben den Wanderweg quasi für und allein und geniessen jeden kleinen Schritt in der kargen aber wunderschönen Landschaft. Zum Mittag gibt es eine fangfrische Forelle. Interessant finden wir, dass in höheren Lagen Ecuadors überall Forellenzuchten zu finden sind mit einem kleinen Restaurant am Strassenrand. Für die Einheimischen, vor allem Frauen und Kinder, ist es eine Attraktion, hier mit einer kleinen Angel einen Fisch aus dem vorbereiteten Becken zu fischen, den man dann nach Hause nehmen oder direkt zubereiten lassen kann.
In Cuenca finden wir dann endlich jemanden, der in die defekte Gasdruckfeder ein Loch bohren kann. In das Loch können wir nun einen Metallstift stecken und so das Dach oben behalten. Improvisiert, aber hält bombenfest! Cuenca ist übrigens bekannt für ihre Panama-Hüte. Genau, Panama-Hüte kommen gar nicht aus Panama, sondern aus Ecuador! Beim Bau des Panama-Kanals waren viele ausländische Hilfsarbeiter vor Ort, darunter auch Ecuadorianer. Um sich gegen die Sonne zu schützen, haben die Ecuadorianer Strohhüte aus ihrer Heimat mitgebracht, dem Sombrero Toquilla, Strohhut übersetzt. Leicht und atmungsaktiv war dies der beste Schutz. Als Winston Churchill zu Besuch war um den Baufortschritt zu begutachten und bei einem Medien-Aufritt einen solchen Strohhut trug, wurde dieser fortan als Panama-Hut bezeichnet – fälschlicherweise. Der Sombrero wird aus einer bestimmten Palmenartart von Hand geflochten. Je feiner die Halme, umso leichter der Hut und höher die Qualität. Für einen Superfino sind mehrere Tage Arbeit notwendig, sodass diese fino Qualität schnell mal über 1000 USD kosten kann. Zu erkennen ist der Hut an der Rosette, von der aus geflochten wird. Der Hut darf keine Nähte und von Innen keine Abbrüche des Halms aufweisen, auch der Randabschluss sollte aus einem Halm, und keiner Naht bestehen. Hat man einmal einen Superfino gesehen, weiss wovon wir reden. Wir jedenfalls können uns keine Superfinos leisten, aber lassen für uns zumindest Hüte der normalen Qualität anpassen. Für den Anfang reicht uns das allemal.
Wir sind fast in Peru angelangt. Die meisten Overlander nehmen die Route entlang des Pazifiks, die sehr langweilig und kriminell zugleich ist. Wir wollen aber etwas abseits des herkömmlichen Weges fahren und rattern etliche Stunden über Schotterstrassen bis wir auf einen Schlagbaum mitten im Nirgendwo treffen. Wir hatten nicht viel erwartet, aber Ecuador hat uns sehr gefallen, wir wären gerne länger geblieben. Tschüss, es war schön!